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Beginn der Sozialversicherung in Deutschland vor 135 Jahren

Gastbeitrag von Gernot Reipen

Gernot Reipen
Gernot Reipen

„Wegen des wachsenden Einflusses der Sozialdemokratie sieht sich Kaiser Wilhelm I. auf Anraten des Reichskanzlers Otto von Bismarck veranlasst, dessen Auffassung vorzutragen, der Reichstag solle Gesetze zur finanziellen Absicherung der Arbeiter gegen Krankheit, Unfall,
Invalidität und Alter beschließen“, so lautete die kaiserliche Botschaft, die zur Eröffnung des 5. Deutschen Reichstags am 17. November
1881 von Reichskanzler Otto Fürst von Bismarck im Königlichen Schloss zu Berlin verlesen wurde.
Es war der Beginn der Sozialversicherung in Deutschland, denn in den folgenden Sitzungsperioden verabschiedete der Reichstag mehrere Gesetze zur sozialen Sicherung .

Diese Botschaft des Kaisers war die notwendige politische Antwort auf den großen gesellschaftlichen Umbruch, der gegen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts in Deutschland und Europa Einzug hielt. Das Zeitalter der Industriellen Revolution hatte begonnen. Zu Tausenden zogen die Menschen vom Land in die nun stetig wachsenden Städte und Großstädte um neue Arbeit in Fabriken und Produktionsstätten zu finden.

Bis dahin bewährte Absicherungssysteme, wie die Großfamilien, wo mehrere Generationen in einer Gemeinschaft unter einem Dach lebten, waren über Nacht obsolet geworden und galten nicht mehr für die neue Gesellschaftsgruppe, die der Arbeiterschaft.
Mit der Einführung der Sozialversicherungssysteme, wie Kranken- und Unfallversicherung,  Sterbegeld und Mutterschaftshilfe, die zügig umgesetzt wurden, versuchte man der politischen Bedrohung des inneren Friedens durch die anwachsenden Proteste der Arbeiter entgegenzuwirken. Denn gerade die Arbeiterschaft war durch die rasend schnell voranschreitende technische und wirtschaftliche Entwicklung von Ausbeutung und Armut bedroht.

Erkenntnisse, Erfindungen und Entdeckungen sind die Komponenten, die unsere gesellschaftlich-kulturelle Evolution vorantreiben und die
biologische Entwicklung des Homo sapiens vom Ursprung bis in die Neuzeit begleitet haben.
Sie führten den einstigen Jäger und Sammler in die hochtechnisierte Gegenwart. Auch im Übergang zum 21. Jahrhundert leben wir wieder in einer Umbruchszeit. Globalisierung und Digitalisierung, Automatisierung und Robotisierung, die Welt des Smart Grid und der vernetzten Prozessabläufe stellen auch die Politik und unseren Staat wieder vor neuen politischen Herausforderungen.
Kontinuierliche Erwerbsarbeit sind oft nicht mehr die Regel. Die Zeiten, in denen man vom Berufsstart bis ins Rentenalter Eisenbahner, Bergmann oder Stahlarbeiter sein konnte, sind längst vorbei. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse sind die moderne Form der Ausbeutung und bilden eine neue Art der Armutsgefährdung in unserem Land.
Die etablierten Parteien tun sich schwer, bei der Bewältigung dieser politischen Herausforderungen und bei der Ausarbeitung von zeitgemäßen Lösungsansätzen. Nach wie vor setzt unser Sozialsystem zum einen auf die Bedarfsabhängigkeit und zum anderen auf die Erwerbsarbeit. Nur wer auf herkömmliche Weise in Lohn und Arbeit ist, stellt ein wertvolles Mitglied unserer Gesellschaft dar und hat Anspruch auf die breite Palette unseres Sozialsystems. Wer aber das 11. Gebot „Du sollst erwerbstätig sein!“ nicht in vollem Umfang erfüllen kann, der gerät schnell in die Spirale des gesellschaftlichen Abstiegs.

Die Piratenpartei hat diese politische Herausforderung erkannt und fordert deshalb eine neue Definition von Arbeit. Der Digitale Wandel
wird das bisherige Wirtschafts- und Sozialsystem stark verändern. „Diese neu entstehende Werte- und Tätigkeitsgesellschaft benötigt auch einen anderen Arbeitsbegriff. Daher ist es die Aufgabe des Staatswesens dafür Sorge zu tragen, dass jede Art von Arbeit gewürdigt wird
Ehrenamtliches Engagement muss die gleiche Anerkennung erhalten wie Erwerbsarbeit. Damit rückt die Piratenpartei den Mensch mit seinen
Grundrechten und seinen Freiräumen in den Mittelpunkt ihrer Politik.

Anstelle einer Leistungsgesellschaft, geprägt durch Ellbogen-Mentalität und Existenzängsten, rückt das Gemeinwohl wieder in den Vorgrund
politischer Zielsetzung und Handelns. Und eine neue Definition der Arbeit wäre eine zeitgemäße, zukunftsweisende Antwort, die politische
Bedrohung des inneren Friedens durch die anwachsenden Proteste, Unruhen und der zunehmenden Gewaltbereitschaft in unserer Bevölkerung entgegenzuwirken. Aus der Geschichte lernen, das sollten wir uns heute mehr denn je zu Herzen nehmen!

  • Gernot Reipen ist Themenbeauftragter der Piratenpartei für Sozialpolitik und Kandidat auf der Liste der Piraten Rheinland-Pfalz zur Bundestagswahl 2017.