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Gefahr für die Demokratische Teilhabe

Mainz, 18. November 2024 Bürokratische Hürden beeinträchtigen die demokratische Teilhabe und erschweren die Wahlteilnahme nicht „privilegierter“ Parteien.

Parteien dürfen laut Wahlgesetz seit dem 27.06.2024 Vorbereitungen für die nächste Bundestagswahl treffen. Dazu gehören u.a. Aufstellungsversammlungen und das Sammeln von Unterstützungsunterschriften, um die Wahlteilnahme sicherzustellen. Die dafür notwendigen Formulare müssen von den zuständigen Landes- bzw. Kreiswahlleiter*innen vorbereitet werden, bevor die Parteien mit dem Sammeln der Unterstützungsunterschriften starten können. Allerdings wurden die Parteien mit einem Schreiben durch die Bundeswahlleiterin vom 20 Juni 2024 informiert, dass die Aufstellungen nicht vor August durchgeführt werden sollen, da das neue Wahlgesetz noch nicht komplett umgesetzt wurde.

Grundsätzlich kann man die Frage stellen, ob der Prozess nicht auch vereinfacht werden könnte. Die Formulare müssen in Papierform unterzeichnet werden, zum Meldeamt des Unterzeichners gebracht werden, die Wahlberechtigung festgestellt, wieder an die Partei übergeben und dann den zuständigen Wahlleiter*innen übermittelt werden. In Zeiten von Fachkräftemangel und hunderten unbesetzten Stellen in Verwaltungen werden Forderungen laut, diesen Vorgang zu digitalisieren. Erfahrungsgemäß dauert allein die Bestätigung der Unterschriften je nach Gemeinde mehrere Wochen.

Verschärft wird die Situation durch das neue Wahlgesetz, nach dem Parteien ab der nächsten Wahl erst dann Direktkandidaten aufstellen dürfen, wenn sie zugleich in dem Bundesland eine gültige Landesliste aufgestellt haben. Damit ist kleineren Parteien die  Chance genommen worden, auch ohne Landesliste bei Wahlen mit Kandidaten präsent sein zu können, wie das in der Vergangenheit oft der Fall gewesen ist.

Mit dem Rücktritt der Ampelregierung und den anstehenden Neuwahlen droht sich die Situation noch weiter zu verschärfen. Dies hat auch die Bundeswahlleiterin zum deutlich zum Ausdruck gebracht:

Insgesamt sehe ich in diesem Fall eine hohe Gefahr, dass der Grundpfeiler der Demokratie und das Vertrauen in die Integrität der Wahl verletzt werden könnte.

(Quelle: https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/bundeswahlleiterin-warnt-in-brief-vor-sehr-fruehem-neuwahltermin,UTYSmfW).

Dazu Heiko Müller, Vorsitzender der Piraten in Rheinland-Pfalz:

Die gegenwärtige Situation war schon vor dem Ausrufen von Neuwahlen schwer zu ertragen. Wir haben absichtlich früh aufgestellt, um noch die langen Tage und das gute Wetter im Spätsommer zu nutzen und stehen Anfang November noch ohne die notwendigen Formulare da. Spätestens nach dem Platzen der Ampel ist es ein unhaltbarer Zustand für unsere Demokratie geworden.

Volt hatte ursprünglich die ersten Wahlkreisaufstellungen für Juli geplant und auf Anraten der Bundeswahlleiterin hin alle 15 Wahlkreisaufstellungen und die Aufstellung der Landesliste verschoben. Mittlerweile wurden die Landesliste und 13 Wahlkreise aufgestellt. Jedoch wurden die notwendigen Formulare bis zum heutigen Tage noch nicht alle zur Verfügung gestellt.

Alexandra Barsuhn, Ko-Vorsitzende von Volt Rheinland-Pfalz, gemeinsam mit Ron-David Röder für den Wahlkampf und damit auch für die Wahlzulassung verantwortlich, hat da eine klare Vorstellung:

In Zeiten, in denen die Menschen zu Recht immer sensibler mit personenbezogenen Daten umgehen, wird es auch schwieriger für uns, die Menschen davon zu überzeugen, einem fremden Menschen ein Formular mit diesen Daten zu überlassen. Wenn die Verwaltung eine Möglichkeit schaffen würde, die Unterstützung über die Homepage der Kommune abzugeben, könnte die Prüfung automatisiert werden und das Ergebnis direkt dem Wahlleiter*innen übermittelt werden.

Aber die Situation ist nicht unlösbar, wie Tristan Marsell, Vorsitzender der Partei der Humanisten in Rheinland-Pfalz, feststellt:

Die Zeit, in der man die Unterschriften sammeln, beim Amt bestätigen lassen und dem Wahlleiter*innen zukommen lassen kann, wurde durch die vorgezogene Neuwahl am 23.02.2025 auf wenige Wochen gekürzt. Normalerweise haben wir mehrere Monate Zeit, um die erforderlichen Unterschriften zu sammeln. Jeder aufrechte Demokrat weiß, was jetzt angebracht wäre. Das Parlament hat die Möglichkeit, wie es auch in der Corona Pandemie gemacht wurde, die Hürden zu senken.

Die Vertreter:innen der Klimaliste gehen einen etwas anderen Weg. Cyrus Mobasheri, Vorsitzender der Klimaliste Rheinland-Pfalz und in Personalunion auch für die Bundesebene zuständig, befürchtet andere Hintergründe:

Wenn man sich jahrelang auf die Wahlteilnahme vorbereitet und man plötzlich vor eine kaum lösbare Aufgabe gestellt wird, kommt bei den vielen ehrenamtlich Engagierten natürlich das Gefühl auf, dass es zumindest billigend in Kauf genommen wird, dass wir nicht teilnehmen können. Die Zeit ist zu kurz. Die Tage sind kurz. Das Wetter ist bescheiden. Es ist die schlechteste Zeit im Jahr, um Unterstützungsunterschriften zu sammeln. Daher haben wir uns entschieden, Kräfte zu bündeln und die Tierschutzpartei beim Unterschriften sammeln zu unterstützen. Falls die Tierschutzpartei die Wahlzulassung erhält, rufen wir natürlich dann auch zur Wahl der Tierschutzpartei auf.

Ron-David Röder, Ko-Vorsitzende von Volt Rheinland Pfalz, pflichtet seinem Kollegen bei:

Wir werden die Wahlzulassung wohl erreichen und wohl nicht klagen. Anlass dafür sehe ich aber an mehreren Stellen. Wir sollen alles daran setzen, dass Wahlen in Deutschland demokratisch, fair und gesetzeskonform stattfinden. Dazu gehört auch, dass die im Grundgesetz und Parteiengesetz verbriefte Chancengleichheit zwischen allen Parteien gewahrt bleibt.

Bei der Piratenpartei Rheinland-Pfalz überlegt man inzwischen, ob man die Wahl aufgrund der Situation anfechten lassen wird. Durch die personelle Unterbesetzung der Verwaltung in Verbindung mit der Erhöhung der Anforderungen an kleine Parteien, die ausschließlich großen Parteien zugute kommen, gerät die Demokratie zusehends in eine Schieflage, in der politisch relevante Strömungen aufgrund bürokratischer Hindernisse schlichtweg nicht mehr vertreten werden.